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LVS, oder: Wer übet, der findet! (Interview mit Ilari Dammert)

Ilari Dammert ist ausgebildeter Ski-Guide und studierter Sportwissenschaftler, er arbeitet als Senior Product Manager Avalanche Safety bei Mammut, sprich: Er ist also Obersupertopchecker für die Entwicklung, die Anwendung und den Gebrauch von Lawinenverschüttetensuchgeräten (LVS). 

Als Sie Ihre ersten Skitouren gegangen sind – wie sahen da die LVS-Geräte unterwegs im Vergleich zu dem, was die heutige Generation kann?

Ich habe vor rund 20 Jahren die ersten Skitouren gemacht, da war ich so 16. Ein LVS hatte ich immer schon dabei, das war damals noch das F1 focus mit der Ampel drauf. Heute haben wir zum einen die Drei-Antennen-Technologie, das war natürlich ein wichtiger Schritt. Damit hat man keine irreführenden Maximas mehr und vor allem die Feinsuche ist damit viel einfacher und schneller geworden. Das, was wir User-Interface nennen, also wie der Nutzer geführt wird – Pfeile, Distanzanzeige, aber auch die Verlässlichkeit von Mehrfachverschüttungsanzeigen –, all das ist viel hochwertiger geworden. Das Gericht unterstützt und führt einen heute natürlich viel besser. Und die Gruppencheckfunktion tut natürlich auch noch mal viel für die Sicherheit der Kameradenrettung, also dass ich schnell überprüfen kann, ob mein Kamerad sicher und zuverlässig sendet.

Die alten Hasen auf Skitour sagen ja gerne: „Das Gerät ist immer nur so gut wie sein Anwender, und deshalb kann ich ruhig noch mit meinem alten Ein-Antennen-Gerät gehen“…

Das ist einerseits ein valides Argument, so lange ich der einzige Verschüttete bin: Man kann mit den alten Geräten schon sehr schnell suchen, wenn man es routiniert macht. Das Problem ist aber: Er wird deutlich schlechter gefunden. Und ich möchte nicht mit ihm zusammen verschüttet werden.

Wieso?

Jetzt wird es technisch, dazu muss man sich ein bisschen in die Tiefen der Signalverarbeitung bewegen: Die analogen Geräte haben einen längeren Puls gesendet. Das war ein Vorteil bei der akustischen Suche. Mit den Drei-Antennen-Geräten wird das zu einem großen Nachteil: Denn wenn der alte Sender mit seiner ca. 300-Millisekunden-Bandbreite sendet, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass er mein Signal überlagert.

Die Besitzer moderner Geräte werden also durch Altgeräte in den Strudel des schlechten Signals hereingerissen!

Genau. Speziell wenn es darum geht ein Altgerät zu finden. Denn wir wisse das bei manchen Geräten dieser Altengeneration, schon damals Bauteile zum Einsatz kamen die, die Eigenschaft haben ein unregelmäßiges Sendemuster zu begünstigen bzw. deren Antennen über die Zeit außerhalb des Normbereichs driften. Und dann wird es richtig fies.

Und wenn noch zwei Altgeräte ins Spiel kommen oder jemand sucht, der nur so mittelviel Routine hat – dann wird es russisches Roulette.

Deshalb ist aus meiner Sicht die Zeit der Altgeräte vorbei und deren Weiterverwendung nicht empfehlenswert.

Wer die Finger trotzdem nicht von Ihnen lassen kann für den gilt: Altgeräten funktioniert nur, wenn sie über all die Jahre perfekt gewartet wurden. Und der Besitzer sehr regelmäßig die Suche mit dem Gerät trainiert.

Außerdem würde ich noch sagen: Wer schon so fit ist, dass er mit einem Ein-Antennengerät schnell suchen kann, der wird nach einer kurzen Umstellungsphase und etwas Training mit einem Drei-Antennengerät noch fixer sein, oder?

Auf jeden Fall! Zumal ich mit den ganz neuen LVS ja auch einen analogen Ton aufbauen kann, damit habe ich die Vorteile aus der alten und der neuen Welt gemeinsam. Und werde zusätzlich noch schneller gefunden. Und wenn noch zwei Altgeräte ins Spiel kommen oder jemand sucht, der nur so mittelviel Routine hat – dann wird es russisches Roulette.

Die Zahl der Skitourengeher in den letzten Jahren ist massiv gestiegen, die Zahl der Lawinenopfer sinkt leicht, das relative Risiko ist also massiv gesunken. Woran liegts? 

Die einzelnen Gründe sind schwer zu quantifizieren, aber ich glaube, es sind – neben den verbesserten LVS-Geräten – drei weitere Faktoren: Jeder, der sich im Wintersport abseits der gesicherten Pisten bewegt, hat inzwischen Schaufel, Sonde und LVS dabei und kann damit per Kameradenrettung gefunden werden und finden. Zweitens haben die Alpenvereine, Bergschulen und Bergsportausrüster auch einen guten Job bei der Ausbildung gemacht. Das kann immer besser werden, aber das Niveau der Leute ist schon gestiegen. Die Lawinenlageberichte werden, drittens, mehr gelesen, die Skitourengeher sind auch nicht mehr zu fünfzehnt in einem Hang unterwegs, das Risikomanagement hat sich einfach etabliert.

Was sind die Hauptfehler, die Skitourengeher beim Umgang mit dem LVS machen und abstellen sollten?

Ich glaube, viele sollten sich erstmal genauer mit ihrem Gerät und dessen Anwendung beschäftigen: Wann folge ich dem Pfeil bei der Grobsuche, wie verhalte ich mich beim Auskreuzen im Nahbereich – all die Sachen, die man in einem Kurs lernen und trainieren kann. Es wäre auch gut, sich genauer mit Störeinflüssen zu beschäftigen: Handy aus, GPS-Uhr nicht an der Suchhand tragen, all das kann die Signale aushebeln! Und es würde sicher viel helfen, wenn man sich in der Suchsituation, trotz all dem Stress, noch mal kurz innerlich sammelt, die Abläufe für sich durchgeht – und dann gemäß den Vorgaben des Gerätes suchen statt kopflos in der Gegend herumzurennen. Wir haben uns bei der Neuentwicklung unserer Geräte gemeinsam mit Psychologen mit  beteiligten einer Lawinenrettung zusammengesetzt und mittels Tiefeninterviews uns von deren Erfahrung berichten lassen. Und Leute, die zum Teil fünf oder noch mehr Trainingstage im Jahr hatten, konnten in der Lawinensituation zum Teil nicht mal mehr den Ein-/Ausschalter ihres Gerätes bedienen. Deshalb haben wir jetzt noch deutlichere Animationen, was wann wie im Suchprozes zu tun ist, in unseren Geräten implementiert.

Wie lernt man den Umgang mit dem LVS am besten?

Wer sich noch gar nicht damit beschäftigt hat, sollte am besten einen Kurs über zwei, drei, vier Tage machen. Und dann sollte man sich jede Saison mindestens einen Tag mit der gesamten Kameradenrettung beschäftigen. Es gibt ja viele Trainingsparks mittlerweile, oder man kann auch bei Schlechtwetter auf der Hütte mal zwei, drei Geräte vergraben und dann suchen. Es braucht da aus meiner Sicht keine Suchweltmeisterschaften mit fünf nahe beieinanderliegenden Tiefstverschütteten mit überlagerten Sendemustern, sondern man sollte einfach reflektiert lernen und regelmäßig üben, wie die Suche geht. Dazu gehört auch das effektive und zielgerichtete -> Schaufeln, das wird aus meiner Sicht sträflich vernachlässigt, denn das braucht immer noch am meisten Zeit und Kraft.

P.S.: Die Sicherheitsforschung des Deutschen Alpenvereins hat die aktuellen LVS-Geräte getestet – hier findet Ihr die Testergebnisse.

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